Die historischen Straßen
Durch Gemmingen verliefen einst zwei Hauptrouten von ehemals
bedeutenden Handelsstraßen. Die eine verband Nürnberg über Heilbronn,
Schwaigern, Gemmingen, Stebbach, Eppingen, Bretten mit Durlach und
Straßburg (Twerchstraße), die andere zog über den Heuchelberg und verband
den württembergischen Verkehrsknotenpunkt Cannstatt mit der damals
bedeutenden Messestadt Speyer (Kreuzstraße). Für die Twerchstraße besaß
die Kurpfalz alleine und für die Kreuzstraße besaßen die Kurpfalz und
Württemberg das Geleitsrecht.
Wer eine Straße zu Handels- oder Reisezwecken
benutzen wollte, benötigte eine Genehmigung und
musste einen Wegezoll entrichten, der von einem
‘Zoller’ eingetrieben wurde. Markiert wurden die
Geleitstraßen und der Wechsel des Geleitsrechts
durch Bildstöcke, die die Wappen der jeweiligen
Rechteinhaber zeigten. Die Kreuzstraße verlor bereits
am Ende des Mittelalters an Bedeutung, während
sich ein Teil der alten Twerchstraße als Landesstraße
11 und später als Bundesstraße 293 noch bis Ende
der 1960er Jahre durch den Ort schlängelte.
Die heutige Bundesstraße 293 zwischen Heilbronn und Karlsruhe wurde
schließlich als Umgehungsstraße konzipiert und an Gemmingen vorbei gelegt.
Sie folgt einer Route, die schon vor Jahrhunderten den Ort umging und als
‘Schleifweg’ Eppingen mit Schwaigern direkt verband.
Die Bahnlinie
Der Kraichgau war beim Ausbau des Bahnstreckennetzes lange Zeit
unberücksichtigt geblieben. Erst im Frühjahr 1877 konnte nach langen
Vorplanungen mit den Bauarbeiten zur Kraichgaubahn begonnen werden.
Schon am 14. Oktober 1879 wurde der erste Teilabschnitt zwischen Karlsruhe
und Eppingen seiner Bestimmung übergeben. Der weitere Ausbau nach
Heilbronn war damals bereits in Angriff genommen und am 7. August 1880
vollendet worden. Die Planer hatten ursprünglich die kürzere Strecken-
führung über Stebbach und Schwaigern bevorzugt, doch konnte Gemmingen
als größerer Ort seine Interessen nach einer Bahnstation an höchster Stelle
durchsetzen.
Aufgrund dieses infrastrukturellen Vorteils konnte sich Gemmingen dynami-
scher entwickeln. Die Abwanderung in die großen Städte mit ihrem besseren
Arbeitsplatzangebot konnte wenigstens gestoppt werden.
Die Pendler - insbesondere jene nach Heilbronn - nutzen seither das Angebot
einer günstigen und zeitnahen Beförderungsmöglichkeit. 1999 konnte die Attraktivität dieses Angebots durch
die Einrichtung eines Halbstundentaktes nach Heilbronn und Karlsruhe noch einmal wesentlich gesteigert
werden (siehe auch Gemmingen im 20.Jahrhundert (3)).
Stromversorgung
Noch bevor überhaupt eine badische Offerte erfolgte, hatte der Gemeinderat von Gemmingen bereits agiert
und im Jahre 1911 einen Stromlieferungsvertrag mit den Enzgauwerken mit Sitz in Bietigheim-Bissingen
abgeschlossen. Die großherzoglich-badischen Stellen hätten zwar gerne eine badische Lösung gesehen, doch
mangels potenter Stromanbieter setzte Gemmingen auf die württembergische Variante.
Zu einer Stromlieferung kam es aber nicht, weil dem Vertrag mit den württembergischen Enzgauwerken
badischerseits die erforderliche staatliche Genehmigung verweigert wurde. Dann brach 1914 der 1. Weltkrieg
aus. Zwar wirkte der Krieg als kraftvoller Beschleuniger der Elektrifizierung, doch galt dies nur für die
industriell weit entwickelten Regionen. Auf dem Lande geschah in puncto Versorgung mit ‘elektrischer Kraft’
nichts mehr. Nach Ende des Krieges trat die Gemeinde Gemmingen dann mit der Rheinischen Elektrizitäts-
Aktiengesellschaft - Rheinelektra - über einen Stromlieferungsvertrag in Verhandlung, der im Mai 1920 zur
Unterzeichnung kam. Zwar dauerte es nun noch ein ganzes Jahr, bis die infrastrukturellen Voraussetzungen
für eine Stromlieferung geschaffen waren, doch das das elektrische Zeitalter für Gemmingen war eingeläutet.
Wasserversorgung
Heute erscheint es uns wie das Selbstverständlichste auf der Welt: Wir drehen den Wasserhahn auf und
fließendes Wasser sprudelt hervor. Aber bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts besaßen noch 15 Gemeinden des
ehemaligen Landkreises Sinsheim, darunter auch Gemmingen, keine zentrale Wasserversorgung!!! Bis zu
diesem Zeitpunkt versorgten sich die Gemminger aus Brunnen. Viele Bürger hatten auf ihren Anwesen nach
Wasser gebohrt und mit behördlicher Genehmigung Brunnen errichtet, um wenigstens das mühsame und
zeitaufwändige Wasserholen an den öffentlichen Gemeindebrunnen zu vermeiden. Es genügte ja nicht, nur
Wasser für die morgendliche und abendliche Toilette und fürs Kochen zu
besorgen, man hatte schließlich auch zu putzen und zu waschen und vor
allem das Vieh zu tränken. Viele Eimer Wasser mussten dafür herbei-
geschleppt werden.
Bereits in der Amtszeit von Bürgermeister Heinrich Betz hatte man seit
1907 versucht, durch Quellbohrungen die notwendigen Vorarbeiten für
eine zentrale Wasserversorgung zu leisten. Zuerst verhinderte der 1. Welt-
krieg die kostspielige Ausführung der Hauptarbeiten, dann verzögerten
wirtschaftliche Krisen und schließlich der Ausbruch des 2. Weltkriegs
immer wieder deren Umsetzung.
Erst 1950 fasste man mit der
Nachbargemeinde Stebbach den
Beschluss, eine gemeinsame Wasserversorgung planen und einen
Hochbehälter zwischen den beiden Dörfern an einem der höchsten
Gemarkungspunkte bauen zu wollen.
1952 begannen die Gemeinden mit der Durchführung des
Projekts, das als Notstandsvorhaben genehmigt worden war. Die
Arbeiten liefen auf Hochtouren und noch vor dem Jahreswechsel
floss in den Wohnungen der Gemminger und Stebbacher Bürger das
erste Wasser aus den Wasserhähnen.