Die Wüstung Zimmern
Wüstung...
... die Bezeichnung für eine
Siedlung, die vor der Neuzeit
aufgegeben wurde, an die
aber noch Überlieferungen,
Flurnamen, Urkunden oder
Funde erinnern.
Fund aus
Zimmern
Burg ...
... ein in sich geschlossener
Wehrbau mit Mauerring und
Wohnraum.
Burg Streichenberg ist eine
Spornburg, die am Ende des
‘Oberen Seeberges’ (früher
vielleicht ‘Streichenberg’) in
der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts erbaut wurde.
Das Dorf Zimmern (Ersterwähnung 769)
entstand zunächst als Ausbauort des Dorfes
Gemmingen. Eine Urkunde aus dem Jahre
805 beschreibt es noch auf der dortigen
Gemarkung gelegen.
Die landwirtschaftliche Nutzung gestaltete
sich in den peripheren Gemarkungsteilen
wegen der beachtlichen Entfernungen auf
der Gemminger Urgemarkung als äußerst
schwierig und zeitaufwändig. Unter den damaligen Verhältnissen dürfte sie
vom Zentralort Gemmingen aus kaum zu bewältigen gewesen sein. Deshalb
baute man in den Außenbereichen einen oder mehrere Höfe und konnte nun
auch diese Gebiete landwirtschaftlich besser nutzen.
Zimmern ist die älteste bekannte Siedlung auf späterer Stebbacher
Gemarkung. In seiner Blütezeit besaß es eine Kirche St. Veit, einige Gehöfte,
Werkstätten und wohl eine ansehnliche Einwohnerzahl. Die Wüstwerdung des
Dorfes, das zwischen Burg Streichenberg und dem Nachbarort Richen lag,
vollzog sich in einem langwährenden Prozess, der aufgrund archäologischer
Funde in die Zeit zwischen 1150 und 1300 gelegt werden kann, in jene Phase
also, in der in zeitlicher Parallelität die Gründung des Dorfes Stebbach, der
Bau der Burg Streichenberg und die Verleihung der Stadtrechte an das nahe
gelegene Eppingen fiel. Attraktivere Wohn- und Arbeitsbedingungen der
Nachbarorte dürften den Niedergang Zimmerns beschleunigt haben.
Auch Stebbach dürfte auf ähnliche Weise wie Zimmern als Ausbauort des
größeren Dorfes Gemmingen entstanden sein und sich nach der Abtrennung
seiner Gemarkung als eigenständiges Dorf entwickelt haben.
Schon im 9. Jahrhundert war das gesamte Zimmern durch Schenkungen an
das Kloster Lorsch gelangt. Im 13. Jahrhundert galt es wie der Streichenberg
und auch Dorf und Gemarkung Stebbach als Zugehör des Steinsbergs.
Burg Streichenberg
Die Erbauung der Burg Streichenberg erfolgte im 13. Jahrhundert. Damals
waren die Grafen von Öttingen Landesherren des Gebietes rund um den
Steinsberg. Hans von Gemmingen und sein Sohn Swicker gelten als deren
Vasallen und als eigentliche Bauherren. Sie legten Burg Streichenberg als
befestigten Eckpfeiler zur Sicherung des Territoriums der Öttinger Grafen im
Kraichgau mit Sichtkontakt zu den ebenfalls zu deren Besitz zählenden
Burgen Ravensburg und Steinsberg an. Während der Ausbauphase wechselte
die Landesherrschaft um 1310 auf die Pfalzgrafen bei Rhein.
Burg Streichenberg lag auch unter pfälzischer Herrschaft im grenznahen
Raum zu Württemberg und diente als wehrhafter Stützpunkt wohl weiterhin
zur Kennzeichnung des territorialen Machtanspruchs, aber auch der Wahrung
und Durchsetzung landeshoheitlicher Rechte, denn von hier aus konnte die
unterhalb der Burg unter pfälzischem Geleitsrecht stehende Handelsstraße
zwischen der bedeutenden Messestadt Speyer und dem württembergischen
Verkehrsknotenpunkt Cannstatt kontrolliert werden.
1360 wird die Burg Streichenberg urkundlich erstmals erwähnt, als der
mächtige Pfalzgraf bei Rhein deren Öffnung für die Kurpfalz im Kriegs- oder
Fehdefall von den Erben der Herren von Gemmingen einforderte. Die
Streichenberger Gemarkung entsprach der des ehemaligen, wüst gewordenen
Dorfes Zimmern. Damals
war Burg Streichenberg zu jeweils einem Drittel im Besitz
der Schwiegersöhne des Swicker von Gemmingen, nämlich
von Albrecht von Enzberg und Raven Göler von Ravensburg
sowie von Fritz von Urbach und dessen Mutter.
1385 erwarben die Herren von Mentzingen die Burg. 1448
gelangte sie an die Herren von Angelloch und 1560 an die
Herren von Neipperg. 1596 zog die Kurpfalz das Lehen über
Burg Streichenberg und das halbe Dorf Stebbach gegen
eine Zahlung von 39.000 Gulden an die Neipperger ein.
Erst 1670 gab Kurfürst Carl Ludwig das ganze Dorf
Stebbach und Burg Streichenberg an seine raugräflichen
Kinder ‘zu deren Auskommen’ wieder als Lehen aus. Nach
Erlöschen der raugräflichen Linie gelangte der Besitz 1733 an die verwandte Linie der Grafen von Degenfeld-
Schonburg, die die baufällige Burg Streichenberg 333 Jahre nach der Lehensübergabe im Jahre 2003 an
private Investoren verkaufte.
Das Dorf Stebbach
Erstmals erwähnt wurde Stebbach im Jahre 1292 in einer die Königswahl betreffenden Urkunde. Darin sagt
Albrecht von Habsburg dem Pfalzgrafen Ludwig II. u.a. Rechte auf Güter in Stebbach zu, falls dieser ihm seine
Stimme bei der anstehenden Königswahl geben würde. Zwar wurde Albrecht damals noch nicht gewählt, und
Ludwig bekam auch seine Forderungen nicht erfüllt, doch nicht einmal zwei Jahrzehnte später fiel der
Steinsberg mit seinem Zugehör - dazu zählten Stebbach und Streichenberg - an die Pfalzgrafschaft bei Rhein,
weil einer der beiden damaligen Lehnsherren, Graf Konrad von Öttingen, mit dem Kaiser in Fehde lag und
darum seine Kraichgauer Besitzungen verlor. Streichenberg und das halbe Dorf Stebbach kamen so an die
Kurpfalz.
Die zweite Hälfte des Dorfes verblieb bis 1509 als Lehen der Öttinger Grafen im Besitz der Herren von
Gemmingen. Schließlich tauschte Orendel von Gemmingen Rechte am Dorf Ingenheim gegen die Übertragung
von halb Stebbach als sein freies Eigentum ein. 1520 kaufte Philipp von Gemmingen seinem Onkel diesen Teil
Stebbachs ab und machte ihn der Kurpfalz für eine jährliche Zahlung von 50 Gulden lehnbar.
Mit dem Erlöschen der ‘Stebbacher Linie’ der
Herren von Gemmingen zog die Kurpfalz 1577
das Lehen über diese Hälfte des Dorfes Steb-
bach ein und gab es mit der anderen Hälfte
Stebbachs, die schon kurpfälzisch gewesen
war, zusammen mit der Burg Streichenberg
erst wieder 1670 zu Lehen an die Herren von
Degenfeld, Raugrafen zu Pfalz, den Kindern des
Kurfürsten Carl Ludwig von der Pfalz aus seiner
morganatischen Ehe mit Luise von Degenfeld.
Als 1733 die letzte Raugräfin kinderlos ver-
starb, fiel das Lehen an die verwandte Linie der
Grafen von Degenfeld-Schonburg.
Nach der Zerschlagung der Kurpfalz in den
Napoleonischen Kriegen kam Stebbach 1803
zunächst an das Fürstentum Leiningen und
1806 an das Großherzogtum Baden.
Das Ende der feudalen Strukturen Mitte des 19. Jahrhunderts brachte dem Dorf und seinen Bewohnern mehr
Eigenständigkeit. 1925 wurde der Streichenberg nach Stebbach eingemeindet.
Mit der großen baden-württembergischen Verwaltungsreform Anfang der 1970er Jahre verlor Stebbach seine
kommunale Selbstständigkeit. Seit dem 1. Januar 1974 ist Stebbach ein Ortsteil von Gemmingen.