Die Gemminger Schule Die Lateinschule      In vielen reichsritterschaftlichen Dörfern befand sich das Schulwesen über  Jahrhunderte hinweg in einem beklagenswerten Zustand - in Gemmingen  jedoch nicht! Pleikard von Gemmingen - und nicht Wolf, wie häufig zu lesen  steht - gründete schon vor 1515 eine Lateinschule und schuf damit die  Möglichkeit, die Söhne des Adels und des wohlhabenden Bürgertums auf ein  späteres Studium an einer Universität vorzubereiten.  Unterrichtssprache war Latein; unterrichtet wurden die Fächer Grammatik,  Rhetorik, Dialektik und Griechisch, vielleicht auch Mathematik und Gesang.      Urkundlich belegt ist die Einrichtung der Lateinschule nicht. Es gibt aber   den Hinweis, dass die Schule bereits ‘in den finstern Zeiten des Papsttums’,  also schon in vorreformatorischer Zeit, bestand.   Anfangs war die Leitung der Schule nicht mit dem  Predigeramt verbunden. Nach 1530 sollen dann aber die  Prädikanten (Inhaber der Predigerstelle) die Leitung der  Schule übernommen haben. Unter ihnen wird immer  wieder der Reformator Franziscus Irenicus (Franz Fried-  lieb) genannt, der in den Diensten des  Markgrafen von Baden gestanden hatte  und seit Ende 1531 als Prediger in  Gemmmingen wirkte.  Wolfgang Buss aus Gernsbach, der   1531 die Hauptpfarrerstelle über-  tragen bekommen hatte, unterrichtete  ebenfalls an der Lateinschule. Buss,  Irenicus und zuvor Bernhard Griebler waren allesamt  bekannte und einflussreiche Vertreter der Reformation in  Südwestdeutschland.    Mit Franziscus Irenicus als Rektor soll die junge Gemminger Lateinschule einen ersten glanzvollen  Höhepunkt erklommen haben. Wolfgang von Dalberg, später als Erzbischof von Mainz Kurfürst und Kanzler des  Reiches wie auch David Chytraeus (Kochhaf) aus Menzingen, als Theologe führender Kopf der Spätreformation  sowie fünfmaliger Rektor der Universität Rostock, waren ihre berühmtesten und bedeutendsten Schüler.      Der Niedergang der Schule erfolgte vermutlich schon im Laufe des 16. Jahrhunderts, spätestens aber mit  dem Tod des letzten Gemminger Prädikanten Georg Hartmann 1635 in den Wirren des 30jährigen Krieges.   Die allgemeine Schule     Wolf von Gemmingen wird zugeschrieben, er habe neben der bestehenden Lateinschule eine Dorfschule  eingerichtet und damit ein wichtiges Anliegen der Reformation, nämlich den Menschen Bildungsmöglichkeiten  zu eröffnen, in die Tat umgesetzt. Luthers Bibelübersetzung, die Verbreitung von Schriftgut durch die  Erfindung des Buchdrucks und letztlich die Einsicht, dass man Schreiben, Lesen und Rechnen in einer von  Umbrüchen gekennzeichneten Zeit erlernen sollte, wenn man nicht hoffnungslos zurückbleiben wollte, waren  Beweggründe genug, um Schulen einzurichten.     Wie überall ging das allgemeine Schulwesen aus kirchlichen  Ursprüngen hervor und blieb lange Zeit ein Anhängsel der Geist-  lichkeit. Das Schulmeisteramt entwickelte sich aus dem Aufgaben-  bereich des Pfarrers; er hatte die Kinder zu unterweisen. Nach und  nach übertrug der Pfarrer diese Pflicht seinem Gehilfen, dem Mesner,  den man schließlich als Schuldiener und nach der Verselbstständi-  gung des Berufes als Schulmeister bezeichnete. Ihm verblieben nach  seiner Einsetzung durch die Ortsherrschaft neben seiner unter-  richtlichen Tätigkeit kirchliche Hilfsdienste wie das Glockenläuten  oder das Orgelspielen. Vor Ort übte der Pfarrer als unmittelbarer  Vorgesetzter die Schulaufsicht aus. Mit Jodocus Jordan ist 1660 ein Schulmeister für die Gemminger  Dorfschule nachgewiesen.     In vielen Landgemeinden darbten die Schulmeister in großer Not.  Doch Gemmingen bildete hier eine große Ausnahme, denn die Pfründe (Einkünfte) der untergegangenen  Lateinschule, waren der Dorfschule zugewiesen worden. Sie sorgten für ein gutes Auskommen der Gemminger  Schulmeister. Zur Besoldung gehörten auch Einnahmen aus den Zehnten zu Richen und zu Stebbach. Die  Kinder beider Ortschaften gingen nach dem 30jährigen Krieg eine Zeitlang in Gemmingen zur Schule. Trotz  eines zufriedenstellenden Einkommens mussten die Schulmeister neben ihrer pädagogischen Tätigkeit oftmals  noch eine kleine Landwirtschaft betreiben, um über die Runden zu kommen. Unterricht fand hauptsächlich im  Winterhalbjahr statt, weil die Kinder vom Frühjahr bis in den Herbst hinein von früh bis spät bei der harten  Feldarbeit helfen mussten.      Im 19. Jahrhundert wurde das Schulwesen reformiert und der staatlichen Aufsicht unterstellt. Die  Einführung der Schulpflicht machte den regelmäßigen Besuch des Unterrichts erforderlich. Lehrpläne  beschrieben nun, was die Schüler lernen sollten. Regelmäßige Schulvisitationen durch die Obrigkeit sorgten für  eine Steigerung des Niveaus.      Heute besuchen Kinder aus Gemmingen, Stebbach und einigen umliegenden Dörfern die nach Wolf von  Gemmingen benannte Schule. Die überzeugende, konsequente und an den gesellschaftlichen Bedürfnissen  orientierte Bildungsarbeit der letzten Jahre verhalf der Schule zu einem guten Ruf über die Ortsgrenzen  hinaus.   David Chytraeus, 1537-1539 Schüler an der Gemminger Lateinschule Wolfgang von Dalberg, ehemaliger Schüler an der Gemminger Lateinschule Altes Schulhaus vom Kirchturm herab fotografiert (ca. 1965)