Gemmingen in früher Zeit
„Eine halbe Stunde nordöstlich von Gemmingen in einer jetzt eben
ausgeholzten Partie des von Gemmingen'schen Walddistrikts Kuhbach erhebt
sich einsam über der Waldbodenfläche ein runder Hügel von 20—22m
Durchmesser und kaum über anderthalb Meter Höhe...” so beginnt der Fund-
bericht von Ernst Wagner, der 1883 an der beschriebenen Stelle ein
Einzelgrab mit einer Doppelbestattung entdeckte und freilegte. Er datierte
den jüngeren der beiden Funde wegen der Grabbeigaben in die Latène-Zeit,
also in eine Epoche der jüngeren Eisenzeit von etwa 450 v. Chr. bis zur Zeit
um Christi Geburt, in der die Kelten weite Teile Mitteleuropas besiedelten.
Wagners zweiter Fund ist wesentlich älter: „Ziemlich genau
in der Mitte des Hügels ... zeigte sich nur einen halben Meter
tiefer ein vollständiges, noch auffallend gut erhaltenes
Skelett, das auf der rechten Seite mit stark hinaufgezogenen
Beinen lag. Die erhaltenen Zähne deuteten auf einen älteren
Mann, die Länge der Knochen auf massige Größe hin. ... Die
Hände schienen ein zerbrochenes Tongefäss zu halten,
ferner ein 6,5 cm langes, geschlagenes Werkzeug von
weißem Feuerstein, wie er sonst in der Gegend nicht
gefunden wird. Das Tongefäß, welches
wieder zusammengefügt werden konnte,
zeigt eine altertümliche, bis jetzt selten bei
uns vorkommende, bauchige Form mit
hohem Hals; seine ganze Höhe ist 22 cm. Es
ist aus graublauem Thon aus freier Hand
gefertigt und mit Schnurverzierung in Linien
und Zacken verziert. An Metall fand sich bei
dieser tieferen Bestattung keine Spur.”
(Beilage zu Nr. 245 der Karlsruher Zeitung,
16. October 1883)
Wagner beschreibt das Grab eines Schnurkeramikers, der einem Kulturkreis am Übergang von der
Jungsteinzeit in die Bronzezeit angehörte und zwischen 2800 und 2200 v. Chr. in Süddeutschland siedelte.
Funde aus diesen frühen Zeiten belegen eine kontinuierliche Besiedelung des Kraichgaus.
Im ersten Jahrhundert n. Chr. eroberten die Römer nach und nach das wohl von einer kelto-germanischen
Mischbevölkerung noch dünn besiedelte heutige Südwestdeutschland, das als ‘Dekumatland’ zur römischen
Provinz Obergermanien mit dem Limes als Grenze gehörte. Eine Militärstraße der Römer führte von Mainz
über Stettfeld und über Gemminger Gemarkung nach Cannstatt. Um das Jahr 260 n.Chr. wurde der
militärische Schutz für die obergermanische Provinz aufgrund innerstaatlicher Querelen und wegen des
äußeren Drucks der sich jenseits des Limes sammelnden germanischen Stämme aufgegeben. Die Römer
zogen sich hinter Rhein und Donau zurück, und das sog. Dekumatland ging an die Alamannen verloren.
Ein Konflikt mit dem nordwestlich benachbarten germanischen und nach Expansion strebenden Brudervolk
der Franken führte irgendwann zwischen 496 und 507 zu entscheidenden militärischen Niederlagen der
Alamannen, die sich schließlich hinter die Oos bei Baden-Baden zurückziehen mussten. Von da an stand das
Kraichgauer Hügelland unter fränkischer Hoheit. Die ersten schriftlichen Zeugnisse aus fränkíscher Zeit sind
schließlich die im Lorscher Codex protokollierten Schenkungen an das Kloster Lorsch aus dem Jahr 769.
Zu jener Zeit unterstanden die Kraichgauer Dörfer meist noch keinem adligen Grundherrn. Es gab viele freie
Bauern, die über ihr Eigentum selbst vefügen konnten und das Recht hatten, Waffen zu tragen, aber auch die
Pflicht, Kriegsdienst zu leisten. Um der belastenden Kriegspflicht zu entgehen, begaben sich viele Bauern in
die Abhängigkeit eines Adligen, der den Kriegsdienst fortan für seine Hörigen leistete. Das Land blieb zwar in
Besitz der Bauern, doch ging es in ein bedingtes Eigentum zur materiellen Versorgung des Grundherrn über,
der es von einem höher gestellten Adligen in treuer Gefolgschaft und für die Ableistung des Kriegsdienstes als
Lehen erhielt. Die Bauern waren fortan an das von ihnen zu bestellende Land, die Scholle, gebunden, der
Rechtsprechung ihres Herrn unterworfen und schuldeten ihm Abgaben in Form von Naturalien (Zehnt) oder
Arbeitsleistungen (Fron).
Als Grundherren über Gemmingen - Zimmern - Streichenberg - Stebbach konnten sich im 12. Jahrhundert
die Herren von Gemmingen etablieren. Das Geschlecht ging aus dem Ministerialadel hervor und nannte sich
nach der Besitzung, die sie als Eigentum erworben hatten, ‘von Gemmingen’.
Besiedelung
Bereits die Menschen der Steinzeit, später die Kelten und nach der römischen Besatzungszeit die Stämme
der Alamannen und Franken siedelten an denselben Stellen wie wir heute. Siedlungsspuren im Gelände,
Gräber, Werkzeuge und die in den letzten Jahren sehr erfolgreich angewandte Luftbildarchäologie belegen dies
zuhauf. Meistens wurden von einer oder mehreren Familien an einer für die Bewirtschaftung günstigen Stelle
etliche Höfe angelegt. Genügend fruchtbares Ackerland und Wasser mussten in erreichbarer Nähe verfügbar
sein. Gleichzeitig sollte der Wohnplatz Schutz vor Hochwasser, Sturm und Regen bieten. Das Staudtbachtal
erfüllte genau diese Bedingungen, und so entwickelte sich der Ort Gemmingen als eines der ersten Dörfer im
Kraichgau.