Gemmingen 1970 - 2000
Schon vor der 1200-Jahr-Feier waren dunkle Wolken über die politische
Gemeinde Gemmingen heraufgezogen, denn der baden-württembergische
Landtag hatte bereits 1968 eine Verwaltungs- und Gebietsreform beschlossen,
die die Selbstständigkeit der kleineren Gemeinden in Frage stellte.
1973 wurde der badische Landkreis Sinsheim aufgelöst und Gemmingen dem
Landkreis Heilbronn und dem Regierungspräsidium Stuttgart zugeteilt.
Gemmingen drohte die Zwangseingemeindung nach Eppingen oder nach
Schwaigern, doch man wollte die Selbstständigkeit behalten. Die Gemeinde-
räte von Gemmingen und Stebbach und ihre Bürgermeister Werner Reiner und
Wilhelm Ziegler erkannten die Brisanz der Lage. Obwohl die beiden
Gemeinden in der Vergangenheit zuweilen heftig miteinander konkurrierten
und rivalisierten, konnte nur eine gemeinsame Strategie erfolgversprechend
sein. Stebbach hatte im Laufe des Jahres 1973 gerade die 1959 als
Demonstrativbauvorhaben des Bundes anerkannte und hoch subventionierte
Dorferneuerung mit einer kompletten Ortsanierung und einem umfangreichen
Flurbereinigungsverfahren beendet. Dabei waren von 139 bestehenden
Wohnhäusern 87 Hauptgebäude und ca. 170 Nebengebäude (Scheunen,
Ställe, Schuppen) abgebrochen, die gesamte Feldflur neu eingeteilt und elf
landwirtschaftliche Betriebe ausgesiedelt worden.
Nun stand man plötzlich vor der
Frage, ob man eine Eingemeindung
nach Eppingen oder nach Gemmingen
anstreben sollte, denn seine politische
Eigenständigkeit konnte die Gemeinde
Stebbach wegen seiner zu geringen
Einwohnerzahl nicht behalten.
Eine Bürgerbefragung ergab ein klares
Votum für Gemmingen.
Nach zügigen Verhandlungen schlossen
die beiden Nachbarkommunen einen Eingemeindungsvertrag, der zum
1. Januar 1974 in Kraft trat. Damit war die Selbstständigkeit der
Gemeinde Gemmingen gesichert.
Am 26. Juni 1974 unterzeichneten die Bürgermeister von Eppingen, Ittlingen und Gemmingen eine
öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Gründung einer Verwaltungsgemeinschaft, die der Stadt Eppingen die
Zuständigkeit einer ‘Unteren Verwaltungsbehörde’ verlieh und den Bürgern dieser Kommunen weitere
Erleichterungen in Verwaltungsangelegenheiten anbieten konnte.
Noch im Jahre 1973 war die Gemeinde in die Planung für ein
beheiztes Freibad eingetreten, das 1977 fertiggestellt werden
konnte. 105.000 Badegäste besuchten das Freibad in der ersten
Badesaison.
Bereits Ende der 60er Jahre hatte die Gemeinde Gemmingen
die Weichen für die ‘Sanierungsmaßnahme Ortsmitte’ gestellt.
Nach Aufstellung und Genehmigung eines neuen Bebauungs-
plans konnten die Sanierungsmaßnahmen zwischen 1973 und
1983 umgesetzt werden. Innerhalb dieser zehn Jahre wurden
alte und baufällige Gebäude abgebrochen, bebaubare Grund-
stücke und Grünanlagen geschaffen, die Verkehrsführung
optimiert, Geschäfte und
Dienstleistungsbetriebe angesiedelt und die bestehenden innerörtlichen
Wohnerhältnisse modernen Standards angepasst. Die neue Ortsmitte
konnte attraktiv gestaltet werden und erfüllt so die ihr zugedachte
Zentrumsfunktion.
Zwischen 1991 und 1993 baute die Gemeinde ein neues Rathaus,
das den Ansprüchen einer modernen, örtlichen Verwaltungsbehörde
Rechnung trägt. Das alte Rathaus wird seither für die Sitzungen des
Gemeinderats und repräsentative Zwecke genutzt.
Ende der 90er-Jahre kam Gemmingen eine Entscheidung zugute, die
ca. 120 Jahre zuvor von der damaligen großherzoglich-badischen
Regierung getroffen worden war und die Dorfentwicklung maßgeblich
beeinflusst hatte: die Trassenführung der Kraichgaubahn über Gemmingen.
Der öffentliche Nahverkehr, bis in die 1960er-Jahre von Bus
und Bahn dominiert, hatte seine hohe Bedeutung mit dem
Aufkommen der Automobilität eingebüßt.
In den späten achtziger Jahren übernahmen Dieseltriebwagen
den auf der Schiene verbliebenen öffentlichen Personenverkehr
zwischen Karlsruhe und Heilbronn. An Wochenenden wurde der
Betrieb wegen der niedrigen Fahrgastzahlen sogar streckenweise
eingestellt. So konnte das Konzept von Bus und Bahn den
Bedürfnissen vieler Menschen nach zeitlicher Flexibilität bei
hoher Mobilität nicht mehr gerecht werden.
Erst durch den Umbau der Kraichgaubahntrasse zwischen
Karlsruhe und Bretten 1992 zur weltweit ersten Zweisystem-Stadtbahnstrecke konnte wieder ein attraktives
Nahverkehrsangebot präsentiert werden. 1997 erfolgte die Weiterführung der Trasse nach Eppingen und 1999
nach Heilbronn. Seither ist Gemmingen im Halbstundentakt an beide Großstädte angebunden und kann seinen
Einwohnern nun ein schnelles und zeitlich interessantes öffentliches Nahverkehrsmittel als Alternative zum
eigenen Fahrzeug anbieten.
Im neuen Jahrtausend
Seit 2001 führt Timo Wolf als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde
Gemmingen. Das Dorf mit seinem Ortsteil Stebbach zählt mittlerweile über 5000
Einwohner. 2008 wurde die Gemeinde in das Landessanierungsprogramm aufge-
nommen. Seither sind eine Vielzahl von privaten und kommunalen Maßnahmen
insbesondere im Ortszentrum erfolgreich durchgeführt worden. Ein 2012 fertig
gestelltes Pflegeheim samt Wohnanlage umrahmt mit den beiden Rathäusern den
neuen, großzügig gestalteten Rathausplatz.
Schon im Herbst 2009 konnte die Kraichgauhalle ihrer Bestimmung übergeben
werden. Mit der Fertigstellung der dreiteilbaren Mehrzweckhalle ging der lang gehegte
Wunsch nach einem der Größe der Gemeinde angemessenen Veranstaltungsort in Erfüllung. Seither steht den
Vereinen und der Bevölkerung ein großzügig bemessenes Gebäude zur Verfügung, das unterschiedlichen
sportlichen wie kulturellen Ereignissen einen geeigneten Raum und Rahmen bietet.
Auf den Rechtsanspruch eines Kindergartenplatzes für Kinder ab dem 1. Lebensjahr und den zunehmenden
Bedarf nach Krippenplätzen für Kinder ab dem zweiten Lebensmonat reagierte die Gemeinde mit Investitionen
im Kindergartenbereich. Die Einrichtung eines ganztägigen Betreuungsangebots zunächst in Stebbach und
dann auch in Gemmingen trägt den veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen Rechnung und ermöglicht eine
Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Durch ein modernes pädagogisches Konzept, eine gelungene bauliche Erweiterung und eine aktive
Unterstützung durch die Gemeinde konnte die Wolf-von-Gemmingen-Schule mit dem Schuljahr 2013/14 als
Gemeinschaftsschule einen neuen, vielversprechenden Weg beschreiten, der allen Kindern und Jugendlichen
gleich welcher Herkunft und Begabung ein individualisiertes Lernangebot unterbreitet, das im Erfolgsfall nach
sechs Jahren zur mittleren Reife führt.
Gemmingen hat bei solider Finanzierung in die Zukunft investiert. Mit seiner niedrigen Pro-Kopf-Verschuldung
liegt die Gemeinde weit unter dem Landesdurchschnitt. Sie verfügt über eine gute private und öffentliche
Infrastruktur und ein funktionierendes Gemeinwesen.